Samstag, 20. April 2013

Wutstarre.

Heute ist schon wieder alles ganz anders. Ich bin innerlich gelähmt und gleichzeitig wütend. Vermutlich ist das der schon erwartete Hormonabfall. Ich bin wütend auf das Leben, auf's Schicksal, auf mein Umfeld, was nicht die richtigen Worte findet, auf mich, weil ich auf mein Umfeld wütend bin obwohl ich weiß, es sind keine Worte zu finden, die mich besänftigen könnten (und damit meine ich nicht Eure Kommentare, bei Euch habe ich das Gefühl, Ihr wißt, wovon ich rede und könnt es nachvollziehen, weil Ihr vielleicht schon dasselbe durchgemacht habt). Ich bin wütend auf P., weil ich auch mit ihm nicht "wirklich" darüber reden kann. Doch was hieße es, "wirklich" darüber zu reden? Vielleicht würde es mir helfen, wenn da jemand wäre, der mit mir brüllt. Der auch wütend ist, der vielleicht mit mir weint. Momentan habe ich das Gefühl, ich sitze allein da mit meiner Trauer. P. meint, ich zerschlage Geschirr, was bringt das, laß uns auf die Zukunft konzentrieren. Hoffnung auf Besserung ist ja da, ich bin nicht völlig resigniert. Und aufgeben werde ich auch nicht. Aber laßt mir meine Wut. Laßt mir meine Tränen. Und dann stehe ich wieder auf und mache weiter.

PS. Die malade schwangere Freundin hat mir Blumen geschickt. Über Fleurop. Ohne weiteren Kommentar. Ist nett gemeint, ich weiß. In meiner Wut halte ich es für gönnerhaft, alternativ für Grabschmuck. Beides ist nicht sonderlich förderlich für meine schlechte Laune. Ganz ehrlich? In meinem Freundeskreis hatte ich eher die Rolle derjenigen, die für die anderen da ist, ihnen zugehört hat, wenn was schiefgelaufen ist, sich Ablenkung ausgedacht, Survival-Pakete verschickt hat usw.
A) ich finde es zum Kotzen, daß ich nun die tragische Figur in meinem Freundeskreis bin und
B) ich halte mich - ganz unbescheiden - für empathischer. Meinen engsten Freunden habe ich von der Fehlgeburt erzählt, und der Satz, der immer kam, war "o je, ich weiß gar nicht, wie ich Dir helfen kann".  Was soll man dazu sagen??! Ihr sollt mir nicht helfen, Ihr sollt mit mir aufs Leben wütend sein. Für eine Weile zumindest. Und dann mach ich schon von alleine weiter.

Übrigens. Zum Thema Empathie fällt mir die Ärztin vom Dienstag wieder ein. So gegen 5 trafen P. und ich in der Klinik ein, etwa eine Stunde später waren wir dran und die - gefühlt 15jährige - Ärztin meint, sie habe ja schon von der Ambulanzschwester gehört, was passiert sei, aber: was führt Sie zu mir. Na gut. Ich habe also nochmals erzählt, wie das so vor sich ging, daraufhin nestelt sie ewig in meiner KiWu- Akte herum, liest den Brief meiner KiWu- Ärztin an die Krankenkasse, blättert und blättert (völlig wahllos, sagt oder fragt aber nichts dazu) und fragt mich dann, wie groß ich sei. Und ob ich Allergien hätte. Das schreibt sie dann akribisch auf ihrem Anamnesebogen auf (gibt es nicht wichtigere Fragen?? Sowas wie "wie geht's Ihnen jetzt" oder "haben Sie Schmerzen"???) und bittet mich zur Untersuchung. Dort stellt sie dann mit ihrem Spekulum fest, daß es immer noch stark blutet (ach was) und daß die Fruchthöhle leer ist (ach was). Sie will aber sicherheitshalber nochmal eine Kollegin "draufschauen" lassen. Also warten P. und ich 3 Stunden auf die Kollegin. Die bestätigt, daß der Embryo nicht mehr vorhanden ist (o-Ton der 15jährigen: ja, ne, ich hatte auch nichts mehr gesehen) und daß eine Ausschabung notwendig ist. Grrrrr.

15 Kommentare:

  1. Ich kann deine Gefühle nachvollziehen. Und wenns dir jetzt im Moment hilft, dann bin ich ab sofort mit dir wütend aufs Leben!

    *zwinker*

    Fühl dich umarmt! Tine

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  2. Du kannst mir glauben, ich bin sowas von mit wütend auf das Leben und das, was es Dir angetan hat! Aber wirklich sowas von!!!!
    Aber wahrscheinlich ist es einfach wirklich so, dass wir Kiwu-Blogger(innen) die einzigen sind, die einigermaßen mit solch einer Situation umgehen können und zumindestens meistens passende Worte finden, weil wir selbst betroffen sind. Viele im Umfeld sind wohl oft einfach überfordert mit unserer Trauer und Wut und stehen dem auch hilflos gegenüber. Tja und manchen ist Empathie wohl wirklich einfach fremd :(

    Was Deinen P. angeht: Das kommt mir alles sehr bekannt vor und ich kenne es nur zu gut von meinem Mann. Er sagt immer: Was soll ich denn mit heulen und warum soll ich zu Dir sagen, dass das alles scheiße ist, dadurch wird es doch auch nicht besser! Tja, Recht hat er, und ich weiß auch, dass es ihm ebenfalls alles nahe geht und er anders damit umgeht, aber trotzdem würde es manchmal gut tun, wenn er mir gegenüber offener wäre, was seine Gefühle angeht! Er zeigt immer erst Gefühle, wenn das Fass nach langer Zeit dann übergelaufen ist! Ich glaube, dass unsere Männer auch manchmal sehr hilflos sind, weil es ihnen schwer fällt, uns so leiden zu sehen.

    Lass Deine Trauer und Deine Wut und all die anderen Gefühle raus! Das darf sein und das muss auch sein, damit Du nicht daran kaputt gehst!

    Und was die Kliniksituation und die Ärztin angeht: Das ist echt der Hammer, dass Du sowas auch noch erleben musstest. Vielleicht solltest Du, wenn es Dir etwas besser geht, mal darüber nachdenken, Dich bei der Klinikleitung zu beschweren. Meine Psychologin hat mir einmal dazu geraten (war zwar eine andere Situation, aber die Person hat sich auch völlig daneben benommen), weil es helfen kann, aus der hilflosen Situation heraus zu kommen, in dem man aktiv wird und (sich auch selbst) deutlich macht, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss!

    Ich wünsche Dir alles Liebe und ich bin mir sicher, dass Du Deinen Weg gehen wirst!
    Alles Liebe

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  3. Liebe Emma,

    du darfst wütend sein. Und traurig. Zornig. Das ist völlig in Ordnung. Diese Gefühle sind wichtig, damit du wieder "heil" wirst. Mir hat mal jemand gesagt, es ist wichtig, die Wut zu spüren (solange man sie nicht gegen andere verwendet), zumindest für eine kurze Zeit, dann kannst du sie überwinden und weitergehen. Aber das hast du glaube ich, auch schon für dich selber erkannt.

    Was das mit deinem Freundeskreis angeht, das kenne ich. Gerade Menschen, die immer selber in jeder Situation für ihr Umfeld da sind, zuhören, unterstützen, sich kümmern, bekommen, wenn sie selbst in der Situation sind, dass sie mal jemanden brauchen, oft nicht das zurück, was sie selber geben. Das habe ich selbst auf die sehr harte Tour lernen müssen.
    Sicherlich können sie dir nicht "helfen", sie können nicht dafür sorgen, dass dein Kinderwunsch sich erfüllt. Und das willst du ja auch gar nicht.
    Aber vielleicht hilft dir dass: in meinem Zimmer steht ein Karton mit altem Geschirr, olles Porzellan. Morgen nehme ich den Karton und gehe Geschirr zerschlagen - für dich. Da packe ich dann meine Wut rein und Tines und Lenes und wenn du magst auch ein bisschen Wut von dir ...

    Ganz liebe Grüße,
    ZweiLinien

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  4. Also das von Deiner Freundin finde ich zum Kotzen. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ich bleibe auch dabei, dass eine FG nochmal eine andere Nummer ist, wenn man so viel aufwenden musste wie wir. Aber in zwei Dingen gebe ich Dir nicht recht. Du bist nicht die tragische Figur, Du bist die Heldin, die trotz der allerschlimmsten Rückschläge immer wieder aufsteht und allen Mut, alle Kraft und auch alle Liebe immer wieder zusammen nimmt. Du bist die, die sich nicht unterkriegen lässt, wo viele in Deinem Freundeskreis schon lange aufgegeben hätten. Und: klar ist es schwer die zeitgleiche Entwicklung anderer Schwangerschaften und Babys zu sehen. Aber Dein Baby, das Deinen Mund und die Augen Deines Mannes hat, Euren Humor und seine ureigensten Patschehände- dieses Kind kannst und wirst nur Du auf die Welt bringen und ins Leben begleiten.

    Ganz liebe Grüße,
    Risa

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  5. Vielen Dank Euch allen, Eure Worte tun mir wirklich gut...

    Emma

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  6. Liebe Emma

    Bei mir hielt auch erst die dritte Schwangerschaft! Es macht den Schmerz nicht kleiner, das zu hören... Mir hat es jedoch auch immer wieder Hoffnung gemacht!!
    Viel Kraft und Ganz liebe Grüsse
    Michelle

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  7. Laß die Wut raus. Kauf Dir, wenn nötig, tatsächlich ein Geschirrservice (mit ganz schrecklichem Muster, verbilligt *g*) Und dann zerhau es mit Wu(ch)t.
    Wut herauszulassen ist nämlich tatsächlich wichtig und bringt eben doch was, nämlich die Trauer zu verarbeiten. (Da gibt es so Phasenmodelle.) Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen.
    Einen ähnlichen Effekt hat übrigens Fluchen; das bringt von außen gesehen auch nichts, aber ist trotzdem hilfreich, um den Streßpegel zu senken.
    Außerdem ist die Welt einfach total ungerecht und dann darf man auch unbeherrscht und wütend sein!
    Drück Dich!

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  8. Auch ich kann nur sagen: Lass es raus! Das tut gut. Und was das Problem mit deinem Mann betrifft: Auch mein Mann hat sich bei beiden Fehlgeburten in Schweigen gehüllt und das hat mich wahnsinnig gemacht. Erst neulich hat er sich erklärt. Es fiel ihm sehr schwer, meinen Schmerz zu sehen und wollte seinen nicht noch zusätzlich bei mir lassen. Außerdem sagte er, dass meine Trauer eine so andere war, realistischer, denn schließlich waren diese Babies für ihn noch nicht "greifbar" sondern eher ein Zukunftstraum. Und ich habe Leben in mir verloren, was für mich schon so viel realer war, dadurch, dass ich diese ganzen Wehwehchen spürte. Hach, es ist schwierig zu erklären, ich hoffe, du verstehst, was ich erklären will... LG, Emma

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  9. Wir sind nicht real bei dir aber wir (ich sprech jetzt einfach mal für alle Kiwu-Ladys) sind bei dir. Ich würde dich so gerne bei der Hand nehmen und einfach mal drauf los schreien!! Ich bin für dich mit wütend und für mich... das, dass leben manchmal einfach so verflucht noch mal grausam, unfair und vielleicht mal so scheisse sein muss!

    drück dich

    lg angi

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  10. Liebe Emma,
    Wut ist manchmal der beste Weg für einen selbst, mit der Situation umzugehen. Vermutlich können die meisten Männer nicht nachvollziehen, was in diesem Moment in ihren Frauen vorgeht und warum wir diesen Wutmoment brauchen.
    Also schmeiße mit Geschirr um dich - ich helfe dir aus der Ferne dabei! Und stopfe am besten auch gleich diesen dämlichen Fleurop-Strauß in die Tonne!
    Halte durch!

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    1. Das war in der Tat das Erste, was ich gemacht habe, als ich gestern nach Hause kam. Jetzt ist er im Müll und nervt mich nur noch mental...

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  11. Liebe Emma!

    Ich bin heute seit einigen Tagen mal wieder auf deinen Blog gestoßen und wollte dir sagen, dass es mir leid tut. Aber genauso will ich dir sagen, dass ich weiß wie du dich fühlst und das es nichts gibt was dich trösten kann. Ich war in unserem Freundes und Familienkreis auch immer die Starke und Tröstende... habe anderen bei Problemen zugehört und versucht sie zu lösen. Doch als ich am Boden lag war da gefühlt niemand. Von einer mittlerweile Ex-Freundin hätte ich mir gewünscht, dass sie mich einfach nur in die Arme nimmt und mit mir traurig ist und vielleicht auch einbisschen mit mir weint. Doch da kam nur "Ist nicht schlimm!" "Beim nächsten mal klappt es!" "Wer weiß für was es gut war?" und noch so andere Bemerkungen die ich dir ersparen werde. Es ist schlimm!!! wenn man sein Kind verliert und mag es noch so klein gewesen sein. Es tut einem das Herz weh und man fragt sie dauernd nach dem "Warum?" und weiß, dass man meistens keine Antwort drauf bekommt. Man fühlt sich teils als Versager und ja man fühlt sich auch ungerecht behandelt oder benachteiligt. Es kommt der Neid und auch die Wut auf ander Frauen und Schwangere. Die Wut über sich und seinen Körper. (Ich habe mich damals selbst geschlagen auf den Weg zum Krankenhaus als die Ausschabung gemacht wurde) Ich wollte mich selbst bestrafen. Die Gefühle fahren Achterbahn. Niemand! Wirklich niemand der in der selben/ähnlichen Situation war kann uns verstehen. Für viele ist es der Lauf der Natur. Doch für uns ist es ein kleiner großer Weltuntergang. Bei mir stand damals die Welt still. Ich war vor Schmerz taub und stumm. Habe still vor mich hingelitten... und leide noch heute sehr. Ich vermisse meine 4 Sternchen. Sie haben große Spuren in meinem Herzen hinterlassen.
    Fühl dich in dieser schweren Zeit festgedrückt und wenn du jemanden zum reden oder ausweinen brauchst findest du mich auf/über meinem Blog

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  12. Liebe Emma,
    wir machen alle immer wieder ähnliche Erfahrungen. (Beste) Freundinnen die einem Messer ins Herz rammen und noch nachstochern, Männer von denen wir uns wünschen sie würden irgendwie anders reagieren, Ärzte die man auf den Mond schießen möchte. Meine Erfahrungen decken sich mit denen der Mädels vorher.

    Freundinnen sind überfordert, sie können nicht im Ansatz erahnen wie sich das anfühlt/was dann guttun könnte/ was du brauchst. Aber wir ahnen es. Alle. Du bist weit davon entfernt, damit allein zu sein.

    Was die Ärzte angeht: Da fällt mir nix ein, die lernen das wohl nicht in der Ausbildung?

    Und unsere Männer, die uns beschützen, auf Händen tragen, glücklich machen und schwängern wollen, haben für sich selbst andere Mechanismen, fühlen es nochmal anders (weil nicht der eigene Bauch) und fühlen sich unendlich hilflos. Weil sie uns nicht davor beschützen können... Er nimmt es bestimmt nicht leichter als du. Nur anders. Männer nehmen es dann sportlich. Mund abwischen, weitermachen. Betrachte seine etwas abweichende Haltung als Ergänzung zu dir. Bald wirst du vielleicht froh sein, dass einer von euch mehr nach vorn zieht...? Sei nicht wütend auf Ihn, bitte.

    Wenn du einen Rat haben möchtest: Lerne genau, wer/was dir hilft. Und übertrage die Verantwortung dir gutzutun nicht auf andere Menschen, sondern sorg selbst dafür, dass es dir besser geht. Mit uns/dem Blog/Porzellan/WutaufdieWelt. Versuche, deinem Mann nicht übelzunehmen wie er mit Allem umgeht, kreide ihm das nicht an, hab Respekt vor dem männlichen Anderssein. Wut auf Ihn bringt euch nicht weiter. Mach gedanklich ein Türchen zu, damit Wut auf Ihn garnicht erst aufkommt, denn die Wut gehört der Welt, dem Universum, dem SChicksal, dem Leben, dem lieben Gott, der Ungerechtigkeit, den Warscheinlichkeiten, der "Natur", dem Zufallsgenerator der irgendwo im Hintergrund sein Unwesen treibt, kurz: DER GANZEN GROSSEN SCHEI?E.

    Versteh mich nicht falsch. Ich glaube einfach daran, mit einer anderen Geisteshaltung in Richtung Schatz die Beziehung davor schützen zu können, dass sie von dieser ganzen großen Scheiße vergiftet wird...

    Gemeinsam seid ihr stark.
    Ich denk an dich.
    Petra



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